Die erstaunlichen Forschungsergebnisse der Ökologin Suzanne Simard wurden lange Zeit verlacht. Von Lea Susemichel
Als die Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard bereits 1997 herausfand, dass Bäume über unterirdische Netzwerke miteinander in engem Austausch stehen, wurde sie von der Scientific Community weitgehend verlacht. Als „vermenschlichend“ und „esoterisch“ wurde ihre Forschung abgetan, wonach sich Pflanzen innerhalb eines Ökosystems „umeinander kümmern“ würden. Heute hingegen gelten die Studien der Professorin für Waldökologie, der Richard Powers in seinem Romen „Die Wurzeln des Lebens“ ein berührendes literarisches Denkmal gesetzt hat, als bahnbrechende Pionierleistung.
In ihrem Buch „Finding Mother Tree“ legt Simard dar, dass alle Bäume eines Waldes über ein gigantisches Mykorrhiza-Netzwerk miteinander verbunden sind. Im Boden verlaufende Pilzstrukturen zwischen den Wurzeln gehen eine Symbiose mit diesen ein. Über dieses Wurzel-Pilz-Geflecht werden nicht nur Signale ausgetauscht, sondern auch Nährstoffe, mit denen größere Bäume kleinere versorgen. Diese kümmern sich in besonderer Weise um ihre „Nachkommen“, Mutterbäume modifizieren sogar ihr Wurzelsystem, um Platz für die Wurzeln der heranwachsenden Bäume zu schaffen. Es gibt aber auch besondere „Freundschaften“ zwischen anderen Bäumen, die dann sehr eng miteinander verbunden sind und füreinander sorgen.
Auch Bäume unterschiedlicher Arten kooperieren: So tauschen bestimmte Laub- und Nadelbäume Kohlenstoffmoleküle miteinander aus, weil sie jeweils zu unterschiedlichen Jahreszeiten Energiedefizite haben.
Bäume interagieren also in unterschiedlicher Weise eng miteinander und senden auch Warnsignale aus, erläutert Simard: „Bäume kommunizieren miteinander“ und schicken etwa bei Schädlingsbefall Informationen über ihr Netzwerk aus, damit andere Bäume ihre Abwehr mobilisieren können. Diese fahren dann tatsächlich sofort ihre entsprechende Enzymproduktion hoch, wie Simards Studien zeigen konnten.
In allen Wäldern kommt den jeweils ältesten und größten Bäumen dabei eine Schlüsselrolle zu. Durch ihre mächtigen Kronen und ihre gewaltige Photosynthese-Leistung vergleicht Simard die Aufgabe dieser „Hub Trees“ mit der Funktion, die große Knotenbahnhöfe für die Infrastruktur eines Landes spielen.
Suzanne Simard zeigt eindrücklich, dass unsere bisherige Vorstellung vom Wald als einem Ökosystem, in dem alle Pflanzen um Licht, Wasser und Nährstoffe konkurrieren und immer nur die Stärksten überleben, nur einen kleinen Teil der Wahrheit zeigt.
Der im Boden verborgene größere Teil offenbart vielmehr das genaue Gegenteil: Bäume kooperieren. Denn der Wald ist durch eine enorme Diversität gekennzeichnet und selbst innerhalb einer Art gibt es unterschiedlich große Exemplare, deren Fähigkeit Photosynthese zu betreiben und Nährstoffe aus dem Boden ziehen können, sehr ungleich ist. Diese „Ressourcen werden zwischen den Bäumen verteilt, was die Artendiversität stärkt und damit die Regenerationsfähigkeit des gesamten Waldes“, schlussfolgert Simard.
Ihre Erkenntnisse lehren uns also nicht nur viel über Ökologie und Klimaforschung, sondern auch über die große Bedeutung, die Verteilungsgerechtigkeit für Gemeinschaften jeder Spezies hat.